von Therlane » 14 Mär 2003 17:04
Ich möchte mich hier auch äußern und verschiedenen Dingen fundamental widersprechen. Ich bin mit der Politik der jetzigen US-Regierung auch alles andere als einverstanden, bis auf den Außenminister Powell hat vermutlich die ganze Administration den Bezug zur Realität verloren.
ABER: Die Bush-Regierung ist nicht die USA. Die Amerikaner sind ein Volk, das den Idealen von Freiheit, Frieden und Demokratie anhängt genau wie wir. Ich möchte dazu das Gedicht von Emma Lazarus posten, das auf der Plakette unter der Freiheitsstatue prangt:
The New Colossus
Not like the brazen giant of Greek fame,
With conquering limbs astride from land to land:
Here at our sea-washed, sunset gates shall stand
A mighty woman with a torch, whose flame
Is the imprisoned lightning, and her name
Mother of Exiles. From her beacon-hand
Glows world-wide welcome; her mild eyes command
The air-bridged harbor that twin cities frame.
"Keep, ancient lands, your storied pomp!" cries she
With silent lips. "Give me your tired, your poor,
Your huddled masses yearning to breathe free,
The wretched refuse of your teeming shore.
Send these, the homeless, tempest-tost to me.
I lift my lamp beside the golden door."
Emma Lazarus
Das entscheidende daran, was auch das Selbstverständnis Amerikas ausmacht, ist die Idee vom "Exil Amerika". Amerika ist die sichere Zuflucht, der sichere Hafen. Und Amerika hat eine "golden door", ein Tor zu einem Haus von Freiheit, ohne Unterdrückung, das Willkommen heißt, aber ohne den billigen Pomp der alten Welt.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen Amerikas, auch die in der Bush-Administration, diesen Idealen so nachhängen, wie wir in Europa unseren Lehren aus unseren zahllosen Kriegen.
Das besondere an der Bush-Administration ist nun das Sendungsbewußtsein, sie will dieses Amerika auf die ganze Welt ausdehnen, überall die Saat von Freiheit und Demokratie ausbringen, was vollkommen legitim ist, unsere Politik will das (hoffentlich) auch. Nun ist es auch so, dass viele Amerikaner sich seit dem 11.September bedroht fühlen, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Bedrohung deutlich größer wäre, wenn der internationale Terrorismus über ABC-Waffen verfügte. Dieser Bedrohung wollen sie Einhalt gebieten, und ihrer Auffassung nach ist das Risiko von ABC-Waffen deutlich größer als das des Machtgewinns des Terrorismus infolge einer als ungerecht empfundenen Intervention Amerikas im Irak. Auch das ist eine verständliche und zu respektierende Überlegung, mag man auch anderer Meinung sein.
Auch verstehen muss man, dass die Bush-Regierung vorgibt, damit der UNO etwas gutes zu tun. Der Irak hat über 13 Jahre hinweg 17 (!) UN-Resolutionen missachtet. Die Autorität der UNO leidet darunter, jedenfalls in meinen Augen, sehr, und eine Durchsetzung dieser Resolutionen täte der UNO gut. Hier fängt aber der Irrtum an: Im Verhältnis zu den über 100 (!!) UN-Resolutionen, die Israel inzwischen missachtet, sind die Irakresolutionen durchaus relativ zu sehen. Klar, Israel ist, genau wie Nordkorea, Indien oder Pakistan durch atomare (Vergeltungs-)Kapazitäten vor internationalen Eingriffen sicher, aber Israel bedeutet für die UNO mindestens einen gleichwertigen Autoritätsverlust wie der Irak. Und: eine Intervention im Namen der UNO wäre sehr unglaubhaft, wenn im Sicherheitsrat eine betreffende Resolution zu dem jeweiligen Zeitpunkt nicht zustandekäme; sie wäre illegitim und damit ein materialer, kein formaler, Verstoß gegen das Völkerrecht, da sie material, nicht formal, gegen die auch vom Irak und den USA anerkannte UN-Charta verstieße.
Weil auch westliche Demokratien, nicht nur Rußland oder China, ein solches Votum blockieren, wäre ein Alleingang der USA (mit oder ohne GB) geradezu eine Verhöhnung des Völkerrechts.
Dass es den USA vorrangig um Öl geht, glaube ich nicht. Die Abhängigkeit der USA von arabischem Öl hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verringert. Es ist davon auszugehen, dass die USA bloß - grundsätzlich legitime - Sicherheitsinteressen verteidigen wollen. Allein die Tatsache, dass ihr Vorgehen aber nicht nur die eigene Sicherheit und die der übrigen Welt zerstört, dass das Vorgehen der USA das Prinzip der "kollektiven Sicherheit" geradezu aushebelt, muss uns alle zu scharfen Feinden der Regierung Bush machen. Die "New World Order" von G.Bush sr. sah eine Herrschaft der UNO vor, denn deren Legitimität wäre allgemein anerkannt. Die jetzige Regierung schadet dieser "New World Order". Krieg kann die Politik fortsetzen, das müssen wir anerkennen, aber dieser Krieg wäre ein Schaden für jede Politik.
Zu Feinden der Regierung Bush ja, nicht aber darf uns das zu Feinden Amerikas machen. Eine demokratische Regierung, dessen bin ich mir sehr sicher, besonders nach den Aussagen des potentiellen nächsten Präsidentschaftskandidaten Joe Lieberman auf der Sicherheitskonferenz in München, würde besonders auf die Zustimmung der internationalen Gemeinschaft achten, sie hätte wohl auch - das hat Lieberman gesagt - das Kyoto-Protokoll angenommen und wäre dem internationalen Gerichtshof in Den Haag beigetreten. Wir müssen Amerika als einen fehlgeleiteten - im wahrsten Sinne des Wortes - Bruder betrachten. Letztlich sind wir viel stärker von Amerika geprägt als Amerika durch uns, unsere derzeitige Kultur und unser Denken sind amerikanischer als Amerika europäisch ist.
formerly known as
Therlane on Gorath, now known as
Therlane Reezer in Tranquility
