Mit Anti-Werbung in eigener Sache wollen die Eidgenossen Afrikaner von der Einwanderung abhalten. Ein vom Staat bezahlter TV-Film zeigt, dass die Schweiz kein Paradies ist - sondern ein gefährliches Land.
Von Frederic Huwendiek
Die Schweiz ist ein Land, das gerne mit seiner einzigartigen Natur und der schönen Bergwelt wirbt. Hier gibt es "die begehrtesten Skilehrer der Welt" und in Zürich "duftet es schon nach Weihnachten", wie das offizielle Onlineportal myswitzerland.com verrät. Die staatliche Agentur Schweiz Tourismus lässt sich viel einfallen, um Urlauber in die Alpenrepublik zu locken.
Als der junge Mann von seinem Studium erzählt, sieht man ihn um Almosen betteln. Als er von seinem Stadterkundungstrip schwärmt, hetzen ihn Polizisten durch die Straßen. Der Spot endet mit der Warnung: "Glaube nicht alles, was du hörst“. Die Botschaft der Anti-Werbung: Das vermeintliche Paradies Schweiz ist eine verregnete Hölle voller Gefahren - und kein erstrebenswerter Asyl-Ort.
Der Film ist Teil einer großangelegten Kampagne, die auch Radiowerbung, Plakate und Flugblätter umfasst. Verwirklicht wurde diese Anti-Werbung von der Internationalen Organisation für Migration, einer weltweiten Hilfsorganisation, die unter anderem Beobachterstatus bei der UN-Vollversammlung genießt.
Das Geld für das Flimmerwerk kommt vom staatlichen Schweizer Migrationsamt, das dem Justiz- und Polizeiministerium von Bundesrat Christoph Blocher unterstellt ist.
Eine ganz andere Schweiz wird jedoch in einem Fernsehspot des Schweizer Amts für Migration deutlich. Hier geht es nicht um Alpenpanorama, Heidi und edle Uhren, sondern um dunkle Seiten des Alltags: um Obdachlosigkeit und Verfolgung zum Beispiel.
Der knapp zweiminütige Film, aus der Staatskasse bezahlt, wurde jüngst in der Halbzeitpause des Fußball-Länderspiels Schweiz-Nigeria im nigerianischen Fernsehen gezeigt - und ist eine Offenbarung. Gezeigt wird ein Telefongespräch zwischen einem afrikanischen Migranten, der in der Schweiz lebt, und seinem daheimgebliebenen Vater. Während der Sohn sein neues Leben unter den Eidgenossen in schönsten Farben malt, werden seine Beschreibungen immer wieder mit drastischen Aufnahmen gegengeschnitten, die sein wirkliches Dasein in der Alpenrepublik illustrieren.
"Ich begrüße solche Aktionen voll und ganz“, erklärte der Justizminister gegenüber SonntagsBlick. "Wir müssen den Afrikanern aufzeigen, dass die Schweiz kein Paradies ist.“ Der Politiker der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei hatte 2006 mit seiner Äußerung, Afrikaner seien "faul“, für Kritik gesorgt. Blocher dementierte später diese Aussage.
Beim Schweizer Amt für Migration findet man nichts Schlimmes an dem Spot: "Das ist keine Schockkampagne“, betont Pressesprecher Jonas Montani im Gespräch mit sueddeutsche.de. "Wir wollen damit die lokale Bevölkerung für die Folgen illegaler Migration sensibilisieren.“ Montanis Aussagen zufolge laufe eine ähnliche Kampagne derzeit auch in Kamerun.
Die Aktion ziele, so der Mann vom Amt, insbesondere auf das große "Migrationspotential“, das durch "die schwierige wirtschaftliche und oftmals instabile politische Lage“ bedingt sei. Auch die Europäische Union beteilige sich "im kleinen Rahmen“ an diesem Projekt.
Für Bernd Mesovic von ProAsyl schießt man mit dieser Aktion, die nach SonntagsBlick-Informationen knapp eine halbe Million Franken kosten soll "mit Kanonen auf Spatzen". Der Menschrechtler verweist auf die geringe Zahl von bislang 236 nigerianischen Asylanträgen in diesem Jahr in der Schweiz. "Mit der Aktion hält man kaum jemanden von der illegalen Migration ab", so Mesovic. "Das ist eher ein therapeutisches Filmchen für die Schweizer Bürger." Für den Asylexperten handelt es sich um bloßen Aktionismus.
Die Schweiz hat die schärfsten Ausländer- und Asylregelungen Europas. Im September 2006 hatten sich in einem Doppelreferendum etwa 68 Prozent der Eidgenossen für eine Verschärfung der Gesetze ausgesprochen. Dies führte zu massiver Kritik von Menschrechtsorganisationen und der UN.
Für internationales Aufsehen hatte auch das Wahlplakat der SVP vom September 2007 geführt: Es zeigt, wie drei weiße Schafe ein schwarzes Schaf vom Schweizer Kreuz treiben.
Quallö: http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/208/144878/