von Matka » 26 Nov 2011 4:55
Wenn Battlefield 3 ein Buch wäre…
… dann versteckt sich der Paketfahrer direkt nach der Unterschrift heimlich unterm Schreibtisch und wartet bis man das Buch aufschlägt.
Sobald ich den Buchdeckel öffne, springt er aus seinem Versteck, ruft “BOOOGABOOOGA!!” und fängt an, mir stundenlang irgendwas auf Anwaltsdeutsch zu erzählen.
Nachdem ich mich von meinem ersten Herzinfarkt erholt habe, kann ich zwischen zwei Möglichkeiten wählen:
a) Ich sage “SPINNST DU? Wer bist du, was willst du, HAU AB!”
In dem Moment reißt mir der Paketfahrer das Buch wieder aus der Hand und setzt sich drauf. Entweder akzeptiere ich es, dass ich in Zukunft einen Paketfahrer im Haus habe, der mich daran hindert mein Buch zu lesen, oder ich schicke das Buch mitsamt Fahrer wieder zurück – in der Hoffnung mein Geld wieder zurück zu kriegen.
b) Ich nicke, sage “Jaja, is gut” und fange einfach an zu lesen.
Der Paketfahrer sagt sein Sprüchlein fertig auf, packt sein Köfferchen, seine Thermoskanne und sein Butterbrot aus – und zieht bei mir ein.
Während ich jetzt gemütlich auf dem Sofa liege, streicht der Fahrer durch mein Wohnzimmer, schaut sich meine Büchersammlung an, guckt wie abgegriffen die einzelnen Bände sind und erstellt daraufhin eine Liste, wie oft ich welche Bücher lese.
Er schreibt sich die Verlage auf und macht in seiner Liste ein Häkchen für “Konkurrenzprodukt!”, jedes Mal wenn ein Buch von einem anderen Verlag ist, wie mein gerade gekauftes.
Dann prüft er noch, ob ich einen Fernseher, einen CD-Player oder andere Geräte zur Medienwiedergabe habe. Als nächstes räumt er meinen Aktenschrank aus und geht meine Schulungsunterlagen durch. Wieder setzt er ein Häkchen bei “Raubkopierer!”, denn ich habe in meinem Ordner mit Lernmaterial 20 Seiten aus einem Fachbuch kopiert, statt mir das ganze Buch zu kaufen. Während er meine CD-Sammlung alphabethisch sortiert, stelle ich entnervt das Lesen ein, denn ich kann mich nicht konzentrieren, da der Paketfahrer bei jeder neuen Notiz die er macht, zum Handy greift und sich mit irgend einem Fremden in einer mir völlig fremden Sprache unterhält. Ich klappe zu und gehe schlafen.
Auch der Paketfahrer macht Feierabend, rollt seinen Schlafsack aus und legt sich unter meinen Schreibtisch.
Am nächsten Morgen…
Ich bin müde, denn ich hatte die ganze Nacht Alpträume. Ich habe geträumt, der Paketfahrer hätte nachts heimlich meine ganze Wohnung durchwühlt, aber ich kann nichts beweisen. Er liegt immer noch unterm Schreibtisch und sieht aus als würde er schlafen.
Ich setze mich wieder aufs Sofa und nehme das Buch in die Hand.
Wie aus der Pistole geschossen steht der Paketfahrer vor mir und präsentiert mir singend und tanzend alle möglichen Neuvorstellungen der Frankfurter Buchmesse. Die meisten Bücher kommen aus dem Verlag, der schon MEIN Buch herausgegeben hat, aber von einigen habe ich vorher noch nie gehört. Interessanterweise scheinen die meisten Titel genau meinen Geschmack zu treffen, also höre ich ihm eine Weile zu. Allerdings weiß ich nicht, wie ich ihn dazu bringen kann, mit der Singerei auch wieder aufzuhören. Also beschließe ich, ihn einfach zu ignorieren und schlage das Buch auf.
Wie aus der Pistole geschossen steht der Paketfahrer vor mir und reißt mir das Buch aus der Hand. Akribisch prüft er den Titel, die Seitenzahl, den Einband und schaut auf jeder einzelnen Seite nach, ob ich nicht irgendetwas verändert habe. Eine geknickte Seite, eine Bleistiftnotiz am Rand – und ich darf das Buch nicht weiter benutzen, ja ich darf sogar lebenslang keine weiteren Bücher von diesem Verlag mehr lesen! Auch Notizen aus dem Buch selbst darf ich mir nicht machen. Etwas auf einen Zettel schreiben ist eine unerlaubte Kopie. Jeder Versuch mit dem Fahrer zu reden ist zwecklos. Er telefoniert schon wieder. Entnervt lese ich das Buch weiter.
Mitten in einem spannenden Kapitel zupft der Paketfahrer an meinem Arm. Irritiert sehe ich zu ihm hoch. Er grinst mich an und erzählt mir, das der Verlag jetzt für das Kapitel 2 total spannende Zusatz-Abschnitte rausgebracht hat, die dem Buch eine neue und überraschende Wendung geben, und ihm überhaupt mehr Tiefe verleihen! Ich soll mich auf ein völlig neues Lese-Erlebnis gefasst machen! Ich muss ihm nur meine Kreditkarten-Nummer geben, und schon baut er die Zusatz-Abschnitte exklusiv für mich ins Buch ein! Ich beschließe, ihn zu ignorieren und lese weiter.
Mitten im Satz wird mir plötzlich das Buch aus der Hand gerissen. Der Paketfahrer nimmt es mit unter seinen Schreibtisch und fängt an, einzelne Seiten herauszureißen und neue einzukleben.
Auf meine Frage was das soll antwortet er knapp „Wartungsarbeiten“. Heute kann ich nicht weiterlesen.
Am nächsten Tag kommt ein Bekannter vorbei. Er hat von dem neuen Buch gehört und möchte wissen wie es ist. Er sieht mir beim Lesen über die Schulter, findet es spannend und blättert schließlich selbst ein paar Seiten durch. Der Paketfahrer knurrt. Auf seinem Notizblock notiert er mit dickem roten Edding “Account-Sharing!” Ich habe aber mittlerweile genug von der Sache und entschließe mich spontan, meinem Bekannten das Buch zu schenken.
Er nimmt das Buch und geht nach Hause.
Der Paketfahrer folgt ihm.
Ich bin glücklich.
Am nächsten Morgen ist mein Bekannter wieder da. Stinksauer.
Der Paketfahrer hat ihm das Buch aus der Hand gerissen und sich draufgesetzt.
Weder mit gutem Zureden, noch mit Bitten und Betteln war er bereit das Buch zu öffnen. Stattdessen hat er sämtliche Bücherregale durchsucht.
Ein Anruf beim Verlag bringt Klarheit:
Der Paketfahrer gehört nicht zum Buch, ist aber als Kontrollmechanismus unverzichtbarer Teil des Kaufvertrages. Er dient dazu, mir jederzeit optimalen, ungetrübten Lesespaß zuzusichern.
Damit er seine Aufgabe auch zu meiner vollsten Zufriedenheit erfüllen kann, wurde er vom Verlag mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet:
- Er sorgt dafür dass das Buch immer im Orginalzustand und unverändert bleibt, damit garantiert die vom Autor gewünschten Inhalte vermittelt werden.
- Selbstverständlich erfasst er genau, welche Seite ich gerade lese, damit, falls nachträglich noch Textänderungen vom Autor kommen, die entsprechenden Seiten sofort ausgetauscht werden können!
- Um immer gleichen, ungetrübten Lesespaß garantieren zu können, darf das Buch nur bei mir zu Hause gelesen werden. Und da auch nur auf der Couch, denn dort war ja die Erstinstallation.
- Ändere ich den Sofabezug oder die Beleuchtung, kann es sein dass das Buch keinen Spaß mehr macht oder man es nicht mehr lesen kann. Deshalb informiert der Paketfahrer den Verlag regelmäßig darüber, welche Farbe mein Sofa hat und ob bei mir das Licht brennt. Wenn viele Leser dieses Buches ein rotes Sofa haben, kann man den Umschlag der Fortsetzung nämlich farblich so abstimmen, dass er mit roten Sofas harmoniert! Ist das nicht toll?
- Ein weiteres tolles Merkmal des Paketfahrers ist, dass er mir ab jetzt jeden Morgen zielgerichtet Werbung bringt, damit ich auch all die anderen tollen Titel des Verlages kennen lernen kann!
Oh, die Sache mit dem Bekannten… Ja also, DAS tut ihnen ja furchtbar leid, aber der Paketfahrer wohnt jetzt halt nun mal bei MIR. Denn ICH habe das Buch gekauft und nur ICH alleine darf es auch lesen. Da hat der Fahrer ganz strikte Anweisungen, verkaufen oder verschenken geht nicht, das ist leider nicht möglich. Entweder finde ich mich damit ab dass ich ab jetzt für immer einen Paketfahrer unterm Schreibtisch habe, oder ich muss ihm halt das Buch wieder zurückgeben.
Auf meine Frage, wieso ich das Buch nicht verschenken darf, schließlich ist es doch MIR, ich habe es gekauft, höre ich dann schließlich ein teuflisches Gelächter aus dem Telefonhörer.
Und dies ist, was die unheimliche Stimme zu mir sagte:
“DIR? Das Buch gehört DIR? Dir gehört GAR NICHTS!!! Denn du hast nicht das BUCH gekauft, sondern die NUTZUNGSRECHTE! Jaaaa, du kleiner Idiot, du darfst das Buch BENUTZEN. Aber nur so wie WIR es dir ERLAUBEN! Du darfst es lesen wenn WIR wollen, und in dem Buch steht WAS wir wollen und wenn wir entscheiden den Inhalt mitten im Buch zu ändern, dann TAUSCHEN WIR IHN AUS und wenn wir entscheiden dass das Buch nicht mehr weiterentwickelt wird, DANN HAT ES HALT KEIN ENDE und wenn wir entscheiden dass uns zu viele Bücher von der Konkurrenz im Schrank hast, oder wenn wir feststellen das du in unseren Büchern rumkritzelst, DANN WIRD UNS DAS UNSER PAKETFAHRER MELDEN, UND DANN NEHMEN WIR DIR DAS BUCH WIEDER WEG!”
Stellen wir uns mal vor Battlefield 3 wäre ein Buch…